Bundesregierung beschließt Änderungen des Anfechtungsrechts nach Insolvenzordnung und Anfechtungsgesetz

29. September 2015

Die Bundesregierung hat am 29. September den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vorgelegt. Mit dem Gesetz sollen Gläubiger mehr Sicherheit erhalten, Zahlungen eines Schuldners behalten zu dürfen, auch wenn über dessen Vermögen später ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Der Schwerpunkt der Änderungsvorschläge liegt dabei auf der sog. Absichtsanfechtung, also der Anfechtung von Rechtshandlungen, die der Schuldner mit der Absicht vorgenommen hat, andere Gläubiger zu benachteiligen. Bisher kann der Insolvenzverwalter solche Rechtshandlungen anfechten, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor Insolvenzantrag oder nach dem Insolvenzantrag erfolgt sind und wenn der durch die Rechtshandlung Begünstigte die Gläubigerbenachteiligungsabsicht kannte. Die Kenntnis wird gesetzlich vermutet, wenn der Gläubiger von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste. Eine entsprechende Anfechtungsmöglichkeit haben nach dem Anfechtungsgesetz Gläubiger, deren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihren Schuldner vergeblich oder aussichtslos sind. Die Möglichkeit der Absichtsanfechtung soll nun für sog. Deckungsgeschäfte, d.h. Handlungen, die einem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung seiner Ansprüche gewähren oder ermöglichen, sowohl im Insolvenz- als auch im Anfechtungsrecht in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt werden:

  • Die Anfechtungsfrist soll bei Deckungsgeschäften (nicht aber bei unredlichen Vermögensverschiebungen und vergleichbaren Maßnahmen) von zehn auf vier Jahre verkürzt werden.
  • Zudem soll anders als bisher die Vermutung, dass der Gläubiger Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners hatte, bei sog. kongruenten Deckungsgeschäften nur noch dann bestehen, wenn er erkannt hat, dass der Schuldner bereits zahlungsunfähig ist. Wenn der Gläubiger lediglich von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgeht, soll die gesetzliche Vermutung insoweit nicht mehr greifen. Von kongruenten Deckungsgeschäften spricht man, wenn der Gläubiger die betreffende Sicherheit oder Befriedigung in dieser Art und zu diesem Zeitpunkt beanspruchen konnte.
  • Zugunsten von Gläubigern, die dem Schuldner Zahlungserleichterungen gewährt haben, z.B. durch Ratenzahlung oder Stundung, soll künftig vermutet werden, dass sie bei Vornahme der betreffenden Rechtshandlung des Schuldners keine Kenntnis von dessen Zahlungsunfähigkeit hatten. Der Insolvenzverwalter (bzw. im Falle des Anfechtungsrechts der anfechtende Gläubiger) muss also das Gegenteil darlegen und beweisen, wenn er die Rechtshandlung anfechten will.
  • Das nur im Insolvenzrecht geltende Bargeschäftsprivileg soll künftig auch für Fälle der Absichtsanfechtung gelten. Danach soll dann, wenn dem Schuldner unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung zufließt (sog. Bargeschäft), eine Anfechtungsbefugnis entfallen, es sei denn, der Schuldner hat unlauter gehandelt und der Gläubiger hat dies erkannt. Bisher gilt das Bargeschäftsprivileg nur für sonstige Anfechtungsfälle, nicht aber für die Absichtsanfechtung. In diesem Zusammenhang soll das Kriterium der Unmittelbarkeit näher spezifiziert werden. Insbesondere soll zugunsten von Arbeitnehmern klargestellt werden, dass im Falle von Arbeitsentgelt Unmittelbarkeit gegeben ist, wenn zwischen Arbeitsleistung und Zahlung des Arbeitsentgelts nicht mehr als drei Monate liegen.

Eingeschränkt werden soll auch die Möglichkeit der Anfechtung bei sog. inkongruenten Deckungsgeschäften, bei denen der Gläubiger die betreffende Leistung nicht in dieser Art oder zu diesem Zeitpunkt beanspruchen konnte. Solche Maßnahmen kann der Insolvenzverwalter anfechten, wenn sie im letzten Monat bzw. bei Hinzutreten weiterer Umstände in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden. Im Gesetzentwurf wird klargestellt, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Gläubiger oder Leistungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung für sich genommen noch kein inkongruentes Deckungsgeschäft darstellen, wie dies gegenwärtig durch die Rechtsprechung vertreten wird. Gläubiger, die lediglich von ihren gesetzlichen Zwangsdurchsetzungsrechten Gebrauch machen, ohne dass sie von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wissen, sollen nicht dem Risiko einer Insolvenzanfechtung ausgesetzt sein.

Daneben enthält der Entwurf Vorschläge zur Stärkung des Insolvenzantragsrechts von Gläubigern und zur Verzinsung von Anfechtungsansprüchen.

Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Zuvor muss es von Bundestag verabschiedet und vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden. Die neuen Regelungen sollen auch für Rechtshandlungen vor Inkrafttreten des Gesetzes gelten, wenn das Insolvenzverfahren am oder nach dem Tag des Inkrafttretens eröffnet wird bzw. die Anfechtbarkeit nach Anfechtungsgesetz am oder nach dem Tag des Inkrafttretens gerichtlich geltend gemacht wird.

Weitere Einzelheiten und den Gesetzentwurf finden Sie auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Wenn Sie weitergehendes Interesse an diesem Thema haben, würde sich Christine Oppenhoff über Ihre Kontaktaufnahme freuen.

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