Das Kammergericht Berlin hat die in mittelständischen GmbHs weit verbreitete Praxis, einen fakultativen Aufsichtsrat durch einfachen Gesellschafterbeschluss auf Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung in der Satzung zu errichten, für unwirksam erklärt. Diese Gestaltung war bislang in der gesellschaftsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung nicht in Frage gestellt worden.
Das Gericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Aufsichtsrat erst mit dem Beschluss zu seiner Errichtung entstehe, und die Umwandlung einer Gesellschaft ohne Aufsichtsrat in eine Gesellschaft mit Aufsichtsrat durch den Errichtungsbeschluss eine tiefgreifende Änderung der Gesellschaftsverfassung und damit eine Satzungsänderung darstelle. Als solche bedürfe sie gemäß §§ 53, 54 GmbHG eines mit Dreiviertelmehrheit zu fassenden, notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses und der Eintragung im Handelsregister.
An der Notwendigkeit zur Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Anforderungen ändere sich auch durch eine Satzungsermächtigung nichts. Eine derartige Öffnungsklausel könne die Einhaltung dieser Anforderungen nur dann entfallen lassen, wenn es sich um lediglich punktuelle, keinen Dauerzustand schaffende Satzungsabweichungen handele. Dies sei bei der Errichtung eines Aufsichtsrats nicht der Fall. Selbst wenn man die Satzungsermächtigung als antizipierte Zustimmung aller, auch später hinzutretender Gesellschafter verstünde, könne dies allenfalls das Erfordernis der Dreiviertelmehrheit, nicht aber die weiteren Voraussetzungen für eine Satzungsänderung entbehrlich machen. Folgt man der Auffassung des KG, ist dies aber auch die einzige Funktion, die einer Satzungsermächtigung zur Bildung eines Aufsichtsrats überhaupt noch zukommen kann.
Das Urteil ist rechtskräftig. Es dürfte in der Praxis für erhebliche Verunsicherung sorgen. Erste Reaktionen auf das Urteil sind ablehnend. Auch steht es im Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG München aus dem Jahr 2012 (Urteil vom 9. August 2012, 23 U 4173/12), die der BGH durch Ablehnung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision implizit bestätigt hat, sowie zu der unausgesprochenen Billigung der entsprechenden Gestaltungspraxis in einer früheren Entscheidung des BGH (Urteil vom 7. Juni 1993, BGHZ 123, 15 ff.), in der er deren Zulässigkeit stillschweigend unterstellt hatte. Dennoch ist das Urteil des Kammergerichts als obergerichtliche Entscheidung und vor allem aufgrund seiner Tragweite ernst zu nehmen. Denn wenn man ihm folgt, würde dies nicht nur Beschlüsse zur Bestellung von Aufsichtsräten betreffen, die ohne Einhaltung der Voraussetzungen für eine Satzungsänderung erfolgen oder erfolgt sind, sondern auch von solchen nicht wirksam errichteten Aufsichtsräten vorgenommene Rechtsakte, wie beispielweise Geschäftsführerbestellungen oder –abberufungen.
Wenn Sie Fragen zu der Entscheidung haben oder an weiteren Informationen zu diesem Thema interessiert sind, würde sich Christine Oppenhoff über Ihre Kontaktaufnahme freuen.
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